Muss die Stadt Leipzig am Bahnhof Plagwitz Bauland herstellen?

Stimmt die Behauptung der Stadt Leipzig, dass Sie gar keine andere Wahl hat, als auf dem von der LEWO auf dem Bürgerbahnhof Plagwitz gekauften Gelände Bauland herzustellen? Kurze Antwort: diese Behauptung stimmt nicht.

Falls du, liebe:r Leser:in bezüglich des Bebauungsplans noch nicht im Bilde bist, laden wir dich ein, dich vorerst darüber zu informieren und dann hier weiterzulesen.

Nun zur ausführlicheren Antwort auf diese Frage.

Vertreter:innen des Stadtplanungsamts und der Stadt Leipzig haben bei Bürgerinformationsveranstaltungen wie dem Rundgang auf dem Gelände im Sommer 2022 mehrfach behauptet, dass die Stadt gar nicht anders könne, als eine Bebauung auf der LEWO-Fläche zuzulassen. Dies wird damit begründet, dass die Stadt im Jahr 2015 die wesentlich größere Fläche des Bürgerbahnhofs nur “preiswert” (ca. 346.000 €) hätte erwerben können, weil Sie der Deutschen Bahn damals rechtlich verbindlich zugesagt hätte, dass der noch verbleibende Teil des Bahnhofs Plagwitz bebaubar gemacht werden würde. Auch Vertreter mehrerer Stadtratsfraktionen haben uns gegenüber geäußert, dass es diese Verpflichtung gäbe. Einige gingen sogar soweit, zu behaupten, dass die im Jahre 2015 an die Stadt übertragenen Flächen zurückgegeben werden müssen, falls die LEWO-Fläche von der Stadt keine Bebaubarkeit bekommen sollte.

Rechtlicher Anspruch auf die Herstellung von Bauland

Der Gesetzgeber hat sehr klar formuliert, dass es keinerlei Anspruch auf Baurecht gibt:

Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.

§1 Abschnitt 3 BauGB, https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/__1.html

Ein derartiger Vertrag oder Vertragsklausel wären demnach vor allem erstmal eines: rechtswidrig.

Die städtebauliche Vereinbarung

Das Stadtplanungsamt schreibt zum Beispiel:

“Im Rahmenplan und der mit der Deutschen Bahn AG geschlossen städtebaulichen Vereinbarung ist die bauliche Entwicklung der beidseits der Ladestraße West gelegenen Flächen in der heutigen Größe (ca. 2,7 ha) vereinbart worden. Im Gegenzug konnte die Stadt die heute als Grünflächen festgesetzten Flächen zu einem symbolisch niedrigen Kaufpreis erwerben.“

Ratsinformation der Stadt Leipzig

Aus der städtebaulichen Vereinbarung, die 2012 zwischen der Stadt Leipzig und der DB getroffen wurde, geht allerdings bei genauerem Lesen auch hervor, dass kein rechtlicher Anspruch auf die Erstellung eines Bebauungsplans geschweige denn bestimmter Festsetzungen besteht:

“Aus diesem Vertrag kann die DB SImm keinen Rechtsanspruch auf Durchführung eines städtebaulichen Verfahrens, auf Aufstellung oder Nichtaufstellung eines Bebauungsplanes oder auf bestimmte Festsetzungen des Bebauungsplanes (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB) herleiten.”

Außerdem endete die Vereinbarung am 31.12.2016. Inwiefern können also die dort benannten Ziele 10 Jahre nach Erstellung unter dieser Prämisse überhaupt noch zum Tragen kommen?

Der Kaufvertrag zwischen der Stadt Leipzig und der Deutschen Bahn über die städtischen Flächen

Wir haben uns über die Informationsfreiheitsatzung der Stadt Leipzig Zugang zum Kaufvertrag zwischen Stadt und DB verschafft. Dieser Kaufvertrag betrifft die Flächen, die die Stadt gekauft hat, da, wo heute der Basketballplatz, das Heiter bis Wolkig, der Hildegarten und der urbane Wald sich befinden. Nach Akteneinsicht entsteht, unserer Auffassung nach, der niedrige Preis einzig aus dem Umstand, dass die Bahn zum Zeitpunkt des Verkaufs im Jahr 2015, erstens das Gelände so wie es ist – mitsamt aller Altlasten im Boden – und es zweitens als Grünfläche verkauft hat. Sollte der von der Stadt gekaufte Teil bebaut, von der Stadt als Bauland deklariert, oder hochpreisiger verkauft werden, müsste die Stadt eine Ausgleichszahlung an die Verkäuferin, die DB Netz AG, leisten.

Es gibt in dem von uns eingesehen Vertrag keine weiteren Klauseln, die den anderen, von der LEWO gekauften Teil des Bahnhof Plagwitz betreffen. 

Nun könnte der Kaufvertrag zwischen LEWO und Deutscher Bahn noch Aufschluß geben – hat die Bahn das Gebiet als potenziell zukünftiges Bauland verkauft?

Der Kaufvertrag zwischen LEWO und Deutscher Bahn

Inwiefern die Bahn das restliche Gebiet an die LEWO als potenziell zukünftiges Bauland verkauft hat, ist uns nicht bekannt. Wir versuchen aber, über das Informationsfreiheitsgesetz, dem die DB unterliegt, an diese Informationen zu kommen und werden darüber berichten. Tatsächlich hat die Deutsche Bahn uns bisher den Einblick verweigert unter Berufung auf die Wahrung ihrer Geschäftsinteressen. Man schreibt uns wenigstens eine allgemeingültige Antwort:

Grundstücksverkäufe der DB erfolgen im Übrigen grundsätzlich „wie es steht und liegt“, d.h. ohne Gewährleistung für eine bestimmte Qualität und Nutzung.

Frag den Staat Anfrage, Februar 2023

Man darf also vermuten, dass im Kaufvertrag zwischen LEWO und Deutscher Bahn ähnliche Klauseln stehen, wie im Vertrag zwischen der Stadt Leipzig und der Deutschen Bahn. Das heißt, es wurde Land gekauft, welches kein Bauland ist. Im Falle einer Wertsteigerung müsste die Käuferin anteilig den Mehrwert an die Bahn entrichten, bis zu 15 Jahre nach dem Kauf.

Gibt es jedwede vertragliche Klauseln oder Absprachen, die die Stadt dazu zwingen, Bauland am Bahnhof Plagwitz zu schaffen?

Es gibt, soweit wir das beurteilen können, rein rechtlich keinen Anspruch durch die LEWO, das gekaufte Gelände in Bauland umgewandelt zu sehen. 

Warum stellt sich die Stadt hinter private Investoren und gegen die Ergebnisse der Stadtklimaanalyse, gegen die Empfehlungen des Umweltschutzamtes sowie gegen die Interessen der Anwohner:innen?

Hinter den Kulissen sagt man uns, tätige die Stadt eben auch an anderen Stellen Geschäfte mit der Bahn und sei deshalb hier im Zugzwang.

Wir wünschen uns, dass der Situation Rechenschaft getragen und dass ein nicht zeitgemäßes und stadtklimafeindliches Konzept fallen gelassen wird. Auch wenn das schwer ist.

Stattdessen hält die Stadt an einer erneuten Bürgerbeteiligung fest, die für das Stadtplanungsamt rechtlich aber keineswegs bindend ist. Welche Stimme, wie viel Mitwirkungsrecht werden wir als Bürger:innen in diesem Verfahren also wirklich haben?