Stadtklima am Bahnhof Plagwitz

Die Klimanalyse der Stadt Leipzig zeigt schon jetzt im Bereich des Bahnhofsgeländes sowie in den angrenzenden Gebieten eine starke (38-41°C) bis extreme (über 41°C) Wärmebelastung.

Screenshot Wärmebelastung im Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs Plagwitz

Hohe Schutzwürdigkeit

Die Karte der Stadtklimatischen Sanierungsbereiche und besonders schützenswerten Grünflächen des Leipziger Amts für Umweltschutz markiert die derzeitige Fläche, für die eine Bebauung vorgesehen ist, als von „sehr hoher Schutzwürdigkeit“. Eine solche Schutzwürdigkeit

„besitzen Grünflächen, die im Kaltluftprozessraum die Funktionen der primären Leitbahn, des Flächenhaften Kaltluftabflusses oder des Entstehungsgebietes übernehmen […] Für die Situation am Tag können sie dazu beitragen (in 250m erreichbar), die Bevölkerung in Leipzig mit ausreichend Grünflächen zu versorgen und dienen zur Erholung.“

Weiterhin gilt für Flächen mit sehr hoher Schutzwürdigkeit:

„Dem Schutz und Erhalt dieser Grünflächen sollte eine sehr hohe Priorität beigemessen werden und grundsätzlich eine Bebauung ausgeschlossen werden.“

Quelle: Amt für Umweltschutz Leipzig
Stadt Leipzig, Stadklima. Der Bahnhof Plagwitz befindet sich links vom weißen Pfeil. Dunkleres Grün bedeutet “sehr hohe Schutzwürdigkeit”. Lila bedeutet “Sehr ungünstig”.

Auf der Karte zu sehen ist eine schwarze Umrandung. Diese markiert das Gebiet als Klimasanierungscluster. Hier sollten

„Maßnahmen für die Anpassung an den Klimawandel und die Reduzierung von Hitzestress primär umgesetzt werden.“

Davon ist in den derzeitigen Plänen für das Gebiet jedoch keine Rede.

Die lila eingefärbten Flächen auf und rund um den Bahnhof herum gelten als „Sehr ungünstig“. Laut der Kartenlegende sei auf diesen Flächen bei

„Nachverdichtungsvorhaben […] darauf hinzuwirken, dass [diese] zu einer Verbesserung auf der Fläche selbst sowie auf angrenzenden Flächen führen. Ist dies nicht möglich, sollten Nachverdichtungen gänzlich vermieden werden.“

Wie in unserem Hintergrundartikel über den Bebauungsplan detailliert beschrieben, denken wir, dass eine Verbesserung der Situation keineswegs gegeben ist, sollte dort gebaut werden.

Frischluftschneise

Der Leipziger Westen verfügt, im Gegensatz zum Leipziger Osten über nur einen Kaltluftprozessraum. Hierzu führt das Umweltamt aus:

Hier [im Leipziger Westen] findet der Kaltluftaustausch nicht in großen überregionalen Bahnen, sondern direkt von den Grünflächen vor Ort in die angrenzenden Straßen und Blöcke statt.

Quelle: https://www.leipzig.de/umwelt-und-verkehr/energie-und-klima/stadtklima/

Unumstritten ist, dass das Gebiet des ehemaligen Güterbahnhofs Plagwitz eine solche Ventilationsbahn, also eine unbebaute Grünfläche, darstellt, die für Abkühlung in den umgebenden Gebieten sorgt. Als Frischluftschneise* werden Flächen bezeichnet, durch die Luft frei zirkulieren kann. Eine Dachbegrünung ersetzt keine Frischluftschneise!

In der Zeitschrift ImmobilienAktuell der ImmoCom, Ausgabe 2022, S. 36, einer Lobbyvereinigung von Immobilienentwicklern, beteuert die LEWO, dass die zu errichtenden Gebäude in Windrichtung stünden, die Frischluftschneise* also nicht behindern würden. Dies bezweifeln wir: die geplanten Gebäude sollen, so will es jedenfalls der Entwurf der LEWO, schließlich 3 Stockwerke hoch gebaut werden!

Jegliche Bebauung erhitzt mehr als dass sie kühlt, im Gegensatz zu einer Grünfläche – egal wieviel Pflanzkübel aufgestellt oder Trockenpflanzen auf Flachdächern gesetzt werden. Auch begrünte Fassaden sind eher ein Mittel der Schadensbegrenzung.

Dazu kommt, dass die Ladestraße West, die Verlängerung der Engertstraße, asphaltiert mit Autos befahrbar und versiegelt werden soll – es würde hier tendenziell also noch sehr viel mehr wärmer werden.

Klimaschutz wird in Leipzig klein geschrieben

Die Stadt Leipzig engagiert sich bisher scheinbar nur auf dem Papier fürs Klima. Schon 2012, also zu dem Zeitpunkt als die Pläne zum Bürgerbahnhof entstanden sind, gab sich die Stadt folgende Ziele:

„Erhalt aller wichtigen Kaltluftentstehungsflächen sowie Freihaltung dazugehöriger Kaltluftabflussbahnen und sonstiger Frischluftschneisen

Minimierung des Anteils versiegelter Flächen

Erhöhung und dauerhafte Erhaltung des Anteils an Frei- und Grünflächen“

koopstadt, Klimagerechte und nachhaltige Stadtentwicklung, Stadt Leipzig, Dezernat Stadtentwicklung, S.26

Schon damals war ebenfalls klar, dass der Klimawandel vor der Stadt nicht halt machen würde. Man spricht gar von “tropischen Nächten”, die zu erwarten seien. Was ist seit 2012 umgesetzt worden?

Die Stadt hat ein Dokument veröffentlicht, in dem Empfehlungen zwecks der in Leipzig bis 2100 zu erwartenden Klimaerwärmung gegeben werden. Dort heißt es, dass mehr frei zugängliche Grünflächen geschaffen werden müssen.

“Neue, frei zugängliche Grünflächen werden vornehmlich auf ungenutzten oder brachliegenden Flächen oder Baulücken errichtet, so dass die zentralen Akteure von den jeweiligen Besitzverhältnissen abhängig sind. […] Die Anlage von zusammenhängenden größeren Grünflächen wie Parkanlagen oder Urbane Wälder in bebauten Stadtquartieren (z.B. GleisGrünZug Bahnhof Plagwitz) ist besonders anzustreben. Sie sind sowohl für den nächtlichen Kaltlufthaushalt als auch für die Erholung vom thermischen Stress am Tage von besonderer Bedeutung.”

Quelle: https://static.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.3_Dez3_Umwelt_Ordnung_Sport/36_Amt_fuer_Umweltschutz/Energie_und_Klima/Stadtklima/Abschlussbericht_mit_Karten_Stadtklimaanalyse_Phase_II_Leipzig.pdf, S. 108

Weiter heißt es dort:

Die Maßnahme Schaffung oder Erweiterung von frei zugänglichen Grünflächen basiert im ersten Schritt auf der Analyse der Versorgung der Bevölkerung mit Erholungsflächen, worunter öffentliche Park- und Grünanlagen zählen. Dafür erfolgte eine Berechnung der fußläufig (250 m) pro Kopf zur Verfügung stehenden Quadratmeterzahl von öffentlichen Grünflächen pro Block. Als unterversorgt gilt ein Block, der unter 6 m² Grünfläche in 250 m Luftlinienentfernung je EinwohnerIn aufweist.

Quelle: https://static.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.3_Dez3_Umwelt_Ordnung_Sport/36_Amt_fuer_Umweltschutz/Energie_und_Klima/Stadtklima/Abschlussbericht_mit_Karten_Stadtklimaanalyse_Phase_II_Leipzig.pdf, S. 108

2023. Die Stadt und insbesondere der Leipziger Westen hat in den vergangenen zehn Jahren einen enormen Bevölkerungszuwachs erlebt. Heute betont die Stadt noch immer die gleichen klimatischen Ziele – auf dem Papier. Der Masterplan Grün soll „zur politisch und gesellschaftlich akzeptierten und anwendungsorientierten Handlungsgrundlage für anstehende Entscheidungen zur räumlichen Entwicklung der Stadt werden“ – doch er ist noch nicht einmal fertig. Die Biotopverbundplanung wird erst 2024 fertig sein. Laut Entsiegelungsbeschluß muss die Stadt Leipzig bis 2030 eine Netto-Null-Versiegelung anstreben und Entsiegelungsflächen für jede neu versiegelte Fläche benennen. Für uns ist die Fläche am Bahnhof Plagwitz prädestiniert für eine Entsiegelung.

Die Stadt Leipzig ist seit neuestem auch eine von 100 Modellkommunen, die bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden wollen.

Bisher entstehen aus all diesen ökologischen Überlegungen und Instrumenten jedoch keinerlei Verbindlichkeiten für die Stadtplanung! Das prangern wir an und fordern ein Handeln im Sinne der Zukunft aller.

Verschwinden von Brach- und Freiflächen

Die Verdichtung der Stadt ist in vollem Gange. In den letzten Jahren sind dutzende Brach- und Freiflächen im Leipziger Westen verschwunden und bebaut worden. Auch deshalb ist die Erhaltung des Plagwitzer Bahnhofs als unbebaute Fläche extrem wichtig für das Stadtklima im Leipziger Westen.