karlhelga – ein grünes Dorf in der Stadt

Redebeitrag zum Stadtteilfest

Der karlhelga-Wagenplatz bietet als soziokultureller Veranstaltungs- und Lebensort über 40-Bewohner*innen, Familien mit Kindern, PoC-Personen, queeren Menschen, zahlreichen Gästen einen Ort zum Verweilen und ein Zuhause. Für unser Zusammenleben sind uns ein solidarisches und hierarchiekritisches Miteinander wichtig. Seit über 14 Jahren sind wir als ehrenamtlich selbstverwalteter Begegnungsort, Freiraum und subkultureller Veranstaltungsort im Leipziger Viertel Plagwitz verwurzelt. Wir sind ein Teil bestehender, gut vernetzter und vielfältiger Nachbarschaftsstrukturen. Als öffentlicher Veranstaltungsort ermöglichen wir mit diversen Veranstaltungen auf Spendenbasis von Essen für Alle (EfA), Konzerten, Theater, Varieté, Bandproben oder Vernetzungstreffen uvm., einen diskriminierungs- und rassismusfreien Raum. 

Durch das Wohnen in Wagen ohne Betonfundamente erhalten wir nicht nur die Grünfläche unversiegelt, sondern renaturieren sie aktiv. Pflanzen und Tiere, darunter auch geschützte Arten, finden bei uns in angelegten Teichen, Totholzhaufen, Blumen, Büschen und Bäumen einen Lebensraum. Biodiversität und Ökologie sind gerade angesichts zunehmender Rekordhitzezeiten, Trockenheit und extremer Wetterlagen, wie Starkregen, auch für eine nachhaltige Stadtplanung relevanter denn je. Dank unserer Wohnform kann die Fläche weiterhin ihre natürliche Funktion erfüllen mit Verdunstung, Versickerung und als Frischluftkanal positiv zum Stadtklima beitragen. Insbesondere im ansonsten stark versiegelten Hitzehotspot Plagwitz. 

Die Wagenkultur ist geprägt von Minimalismus und Selbstermächtigung, DIY statt Konsum, mehr selber machen, bauen, Up- und Recycling, statt neu kaufen. Gleichzeitig unterstützt unser Gemeinschaftsleben uns darin, Dinge auszuprobieren, mit weniger Angst vor dem Scheitern, der Möglichkeit Wissen und Werkzeug zu teilen und voneinander zu lernen. Dadurch können viele Bereiche selbstbestimmter, ressourcenschonender und damit aus unserer Sicht zukunftsfähiger gelebt werden. Einige von uns versorgen sich autark mit Solar- und Windenergie, andere bauen Lastenräder, sind für Nachbar*innen da oder bringen sich in regionale, ökologisch-nachhaltige Ernährungsstrukturen, wie SoLaWis, ein. Ein weiteres anschauliches Beispiel, wie ressourcenschonendes Wagenleben sein kann, ist der Wasserverbrauch. Laut dem Amt für Statistik in Leipzig ist der durchschnittliche pro Kopf Verbrauch in Leipzig pro Tag 120 Liter. Mit 120 Litern Trinkwasser kommt bei uns eine vierköpfige Familie ca. eine Woche aus. 

Seit 2018 der Klimanotstand in Leipzig ausgerufen wurde, sollen Grünflächen geschützt und erhalten werden. Dennoch ist in Leipzig der Boden immer noch ein beliebtes Spekulationsobjekt. Unsere Nachbarschaft am noch grünen Bürgerbahnhof Plagwitz fühlt sich bedroht vom  Bauboom, Roden und damit einhergehender Verteuerung und Verdrängung! 

Überall wird nachhaltige Stadtentwicklung gefordert. Der Erhalt von Frei- und Grünfläche statt Neubau auf Kosten der hier lebenden Bevölkerung. Dennoch konnte der Bauinvestor Christoph Gröner Anfang der Coronapandemie mit einer Untergruppe der CG-Group die von uns seit über 14 Jahren gepachtete Fläche kaufen. Dabei wurden unser Kaufinteresse als gemeinnütziger Verein sowie das städtische Vorkaufsrecht übergangen.

Kann Politik angesichts drängender gesellschaftlicher Themen wie sozialer Ungleichheit, zu der die Energiekrise noch ihren Teil beitragen wird, den Folgen des Klimawandels, Spekulation mit Boden etwas entgegensetzen?

Wie können wir alle Alternativen schaffen zu einer Wirtschaftsweise, die Profit nicht nach nachhaltigen, ökologischen, oder sozialen Kriterien macht, sondern auf Kosten der hier lebenden Bevölkerung nach bezahlbarem Wohnraum, der Umwelt und damit unser aller Lebensqualität, Vielfalt und Zukunft.

Wir sind seither im Dialog und suchen mit Stadtpolitik, dem Eigentümer und breiter solidarischer Unterstützung aus der Nachbarschaft nach einer gemeinsamen Lösung, nicht vertrieben zu werden, unser Zuhause, unsere Lebensgrundlage und einen wichtigen sozialen und ökologischen Freiraum im Viertel zu erhalten. Leipzigs Bürgermeister für Ordnung, Sicherheit und Grünflächen, Herr Rosenthal, wies im Vorwort des Klimaquizhefts von den Omas for future darauf hin, dass unser Handeln jetzt die Zukunft unseres Planeten entscheidet. Bislang sind wir gespannt, welche Taten den stadtpolitischen Worten folgen.