Wenn Kastanienbäume der Rendite im Weg stehen

Redebeitrag einer Hausgemeinschaft aus der Klingenstraße zum Stadtteilfest

Hier in Plagwitz verändert sich ja momentan eine Menge. Auf quasi jeder freien Fläche wird gebaut und am Ende steht irgendwo ein neuer großer Klotz mit teuren Wohnungen, Büros oder Lagerhallen.

Ich wohn’ hier im Viertel in der Klingenstraße und gehöre zu einer Hausgemein-schaft, die sich seit Anfang des Jahres dagegen einsetzt, dass in unserem Garten ein Zweifamilienhaus mit Eigentumswohnungen gebaut werden soll. Es handelt sich bei diesem Bauvorhaben also nicht um den Bau von Sozialwohnungen, um das Angebot Wohnraum zu steigern und die Mieten zu stabilisieren, sondern lediglich um ein Prestige-Projekt für börsenorientierte Unternehmen. Daher sind wir entschieden dagegen. Und auch aus umweltbezogenen Gründen passt uns dieses Bauvorhaben gar nicht: Dafür würde bei uns ein riesiger Kastanienbaum gefällt werden und unsere Wiese würde gegen versiegelten Boden eingetauscht werden. Außerdem würde uns damit ein Raum zum Austausch als Hausgemeinschaft, für gemeinsame Treffen und ein Platz zum Spielen für die Kinder aus dem Haus und aus der Nachbarschaft genommen werden. Wir wollten das nicht hinnehmen und haben uns nach einigen ernüchternden Antworten vom Amt für Umweltschutz und dem Stadtplanungsamt an Politikerinnen aus dem Stadtrat gewendet. Daraufhin wurde ein Antrag in den Stadtrat eingebracht, um eine Veränderungssperre für alle Hinterhöfe im Bereich der Zollschuppenstraße und der angrenzenden Hinterhöfe der Klingenstraße zu erwirken, so dass auch unser Garten unbebaut und unversiegelt bleiben könnte. Diesem Antrag wurde mit einer kleinen Mehrheit von Linken, Grünen und ein paar Politikerinnen der SPD in der letzten Stadtratssitzung zugestimmt, was für uns natürlich einen kleinen Sieg in unserer Sache darstellt. Da aber die Aufstellung eines neuen Bebauungsplans noch länger braucht, ist bislang immer noch ungewiss, ob das Bauvorhaben in unserem Garten dadurch tatsächlich noch gestoppt werden kann. Aber immerhin ist das Thema nun wieder präsenter im Stadtrat.

Das zeigt: Es geht nicht nur um unseren Garten, sondern um die gesamte Stadtbau-politik für unser Viertel und darüber hinaus: Ich möchte nicht, dass die Menschen mit viel Kapital und viel Immobilienbesitz entscheiden, wie sich unser Kiez entwickelt, sondern, dass wir alle unser Mitspracherecht nutzen und einfordern! WIR leben hier, WIR nutzen die Flächen vom Bürgibahnhof, WIR gehen auf Konzerte vom Wagen-platz, WIR müssen die Mieten bezahlen und WIR wollen uns hier auch an heißen Sommertagen noch wohlfühlen. Machmal erscheint ein Kampf dagegen ziemlich aussichtlos und die Lage ziemlich frustrierend. Aber unser Beispiel zeigt:

Es lohnt sich, sich gegen die Veränderungen in unserem Kiez in Form von immer mehr Versiegelung, Verdichtung durch unbezahlbaren Neubau und Verdrängung einzusetzen. Es braucht dafür aber manchmal einen langen Atem.

Wenn es euch also genau wie auch mir nicht passt, was hier in unserem Viertel passiert, wenn eure Mieten zu hoch werden oder eure Vermieterinnen Ärger machen: tauscht euch als Hausgemeinschaft aus, tut euch zusammen und lasst euch mit Expertise beraten. Wenn euch im Sommer zu heiß ist zwischen all den betonierten Flächen und den risiegen Häusern, die die Frischluftzufuhr ausbremsen: dann schreibt euren Abgeordneten und unterschreibt Petitionen. Und wenn ihr weiterhin hier spazieren wollt, ohne durch ein Industriegebiet zu laufen, dann informiert euch hier und heute am Infostand der Initiative vom Bürgibahnhof, wie ihr euch einbringen könnt. Wenn ihr euch einsetzen wollt, um die Bewohnerinnen des Wagenplatzes Karl Helga zu unterstützen, um deren Wohnraum zu erhalten und ihr auch weiterhin dort auf Konzerte, Filmvorstellungen und zur Küfa gehen wollt, dann tragt euch gleich bei deren Infostand mit eurer Mailadresse ein. Unterstützt solidarisch die Projekte, die euch am Herzen liegen.

Es ist unser Kiez und den können wir nur gemeinsam gestalten und erhalten. Lasst uns deshalb zusammen einsetzen für ein Viertel, in dem wir ALLE bleiben können und in dem wir ALLE uns wohlfühlen können.